Moritz Graf                            An das Sonett

von Strachwitz           

1822 – 1847                           Ich mag mich gern auf deinen Wellen wiegen,
Die auf und nieder sich melodisch drehen;
Ich mag mich gern in deinem Maß ergehen,
Drin Kunst und Kraft sich wechselnd überfliegen.

 

Denn wer die Form gelernt hat zu besiegen,
Dem wird ihr Zauber gern zu Willen stehen;
Wer einmal nur dem Leu'n ins Aug' gesehen,
Dem wird er willig sich zu Füßen schmiegen.

 

Drum zürnt mir nicht, wen mich der Klang begeistert,
Der leicht dahin schwebt, kunstgerecht und kunstvoll:
Der ist ein Meister, der die Form bemeistert.

 

Der Rasende, der, wilder Dichterbrunst voll,
Den Stoff mit rohem Mörtel überkleistert,
Ihm sind die Pieriden nimmer gunstvoll.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Moritz Graf                            Bei Platens Tod

von Strachwitz

1822 – 1847

Du bist der Dichtkunst tapfrer Bogenschwinger,
Der rastlos seine goldnen Pfeile sendet,
Der endlich trotzig sich verblutend endet
Als der Philister göttlicher Bezwinger.

 

Nun schlummre sanft, du kampfesmüder Ringer,
Dem Nord und Süden Ruhm und Preis gespendet;
Es sei dein Haupt der Heimat zugewendet,
Du melodieenvoller Rhythmenschlinger!

 

Und ob die Vatererde du gemieden
Im Übermaße deiner Zorngedanken,
Reicht sie die Rechte doch ins Grab zum Frieden.

 

Und dahin, wo ums Grab sich Lorbeern ranken,
Sei auch der deutsche Eichenkranz beschieden,
Und dein verbleib' er ewig ohne Wanken!

 

 

 

 

 

 

 

 

Moritz Graf                            Das Nibelungenlied

von Strachwitz

1822 – 1847

Das deutsche Lied, in dunkle Nacht verschlagen,
Hat lang geschlummert, bis sein Strahl erwacht,
Bis mit des Geistes göttlich hoher Macht
Ein blühend Kind es an das Licht getragen.

 

Das war die Mär von alten Heldensagen,
Die hat's zur Götterflamme angefacht,
Bis es erblüht' in unerreichter Pracht
Und flog empor auf goldnem Sonnenwagen.

 

»Da zog einher mein mächtig Kampfestönen
Durchs deutsche Land, von heil'ger Kraft erfüllt,
Obgleich kein Meißel glättend mich gefeilt,

 

Und immer tön' ich noch der Dichtkunst Söhnen,
Das erste Kind, das deutscher Sang belebt,
Das zu der Sonne stolz voran geeilt.«

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Moritz Graf                            Der Sturm ist los

von Strachwitz

1822 – 1847

Der Sturm ist los, der Schiffer muß verzagen,
De kühne Mast bis auf die Flut gebogen,
Indessen die erbarmungslosen Wogen
Das tapfre Fahrzeug an die Riffe schlagen.

 

Vorbei das Wollen und umsonst das Wagen,
Der Wunsch begraben, das Gebet betrogen!
Der Wirbel kreist, das Schiff ist eingesogen,
Und drüber in die schnellen Möwen jagen. –

 

So sank mein Leben im Gewoge nieder,
Und überm Schaum mit schrillendem Geklage
Als weiße Möwen schießen meine Lieder.

 

Der Abgrund schweigt, die Welle murmelt trübe
Und leise singt die Fei zum Wogenschlage:
»Da drunten schlummert eine große Liebe!«

 

 

 

 

 

 

 

Moritz Graf von Strachwitz

1822 – 1847

Mein kühnstes Lied, ich will es nun beginnen,

Es braust hinan, im Aetherduft zu baden,

Es quillt empor in sprudelnden Cascaden,

Und Melodie ist seiner Welle Rinnen.

 

Es dreht als Sturm um schroffe Wolkenzinnen

Im Wirbelreigen sich der Oreaden,

Es hallt als Glocke in des Aethers Pfaden,

Weit auszuläuten mein gewalt’ges Minnen.

 

Ich bin geliebt! Dir, Meer im Wogensunde,

Euch, blauen Lüften, tobenden Orkanen,

Euch ruf’ ich’s zu mit klanggewalt’gem Munde.

 

Es taucht das All in Liebesoceanen

Und sprengt den Thau auf meine Liebeswunde,

Gerissen ist die Fessel der Titanen.